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Herrgott, war das eine (sinnlose) Schinderei
Einfach ein Traum, welche Möglichkeiten heute Trainer haben, um ihren Lieblingen einen interessanten, spaßigen, lehrreichen und attraktiven Trainingsabend zu bieten. Das Internet platzt förmlich vor Inhalten, dazu endlose Videos, Fortbildungen, Fachmagazine – und es gibt sogar Studios, in denen man ganz besondere Methoden anwenden kann, damit die Lieblinge fit sind und Spaß haben.
Wenn ich da an meine aktive Zeit zurückdenke, dann bekomme ich noch heute eine Gänsehaut! Wie oft übernahm der Trainer das Training, das schon seit Jahrzehnten durchgezogen wurde – ohne Rücksicht auf Verluste und ohne etwas zu hinterfrage, war halt schon immer gut. Es gab Übungen, da staunte ich einfach nur noch: Kniebeugen mit einem Mitspieler auf dem Rücken (gern auch Reiterkämpfe und Sprintübungen), Medizinbälle unterm Arm und über Eisentore springen, endlose Waldläufe mit Volldampf ins Nirgendwo, Sprintübungen über 400, 200 und 100 Meter bis zum Abwinken (wie gerne wäre ich auf den ersten 10 Metern schnell gewesen), 500-mal über die Barriere springen, Zirkeltraining ohne Rücksicht auf Gelenke. Und wenn es richtig gut lief, dann ließen wir beim Dehnen die Köpfe wie ein Uhu im Kreis drehen – warum auch immer, vor allem völlig ungesund. Beim Dehnen der Beine wurde ordentlich nachgewippt – auch richtig gesund! Sinn der ganzen Quälerei? Das wusste manchmal wohl nur der Fußballgott...
Und weil es so schön war, ging das schon in der Jugend los. Ich erinnere mich noch, als ich mit 13 Jahren weinend im Bett lag, meine Mutter es hörte und fragte, ob ich traurig sei. „Nein, wir sind mit Medizinbällen unterm Arm über Eisentore gesprungen und haben Mitspieler auf dem Rücken durch die Gegend getragen, mir schmerzen die Knie…“ Wachstumspalte in der Pubertät, was ist das?
Natürlich wurde auch viel gelacht, wie gerne erinnere ich mich an folgende Szene: Nach einem verträumten Waldlauf-Sprint über 5 Kilometer war oft Treffpunkt am geliebten Wahlsberg. Dort wurde an den Seiten und gerne die letzten 25 steilen Meter rauf gesprintet bis der Puls bei 800 Schlägen war – brachte ja Kraft… Die Königsdisziplin: 6 Kameraden nach und nach auf dem Rücken die letzten 15 Meter auf die Hügelkuppe schleppen. Und da stand er, Thorsten S., 160 cm groß (mit Stollen), gefühlte 45 Kilo schwer – nun war er an der Reihe. Sein erster Partner zum Schleppen: Achim, 190 cm groß, 110 Kilo schwer. Kein Problem, rauf auf den Rücken, los ging die wilde Fahrt – nach zwei Metern zog es das Traumpaar nach links in die Büsche und den Abhang hinunter. Auf den Knien krabbelten sie wieder auf den Weg – wir zeigten natürlich eine Menge Mitgefühl: „Hej, Thorsten, Kopf hoch, der Nächste wartet schon!“ Und da stand er: Jörg, 190 cm groß, 110 Kilo schwer – der Bruder von Achim! Den Blick von unserem 45-Kilomann werde ich nie vergessen. Noch größer wurden sein Augen, als wir im Vollsprint auf dem Sportplatz ankamen und Zirkeltraining angesagt war. Schönste Übung: Kniebeugen mit jemanden auf dem Rücken – Achim und Jörg warteten schon...
Und wann war der Trainingsabend richtig perfekt? Richtig! Wenn wir 30 Minuten im Rechteck laufen durften! Kurze Strecke = Sprint, lange Strecke = etwas langsamer. Wie ich hörte, wird diese Übung noch heute zu gerne genutzt - es gibt eben Dinge, die ändern sich nie...