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Horst Eckel: Der Tag, als ich den letzten großen Helden traf
Vorweg: Noch nie fiel es mir so schwer eine Überschrift zu einem Artikel zu finden. Welche Worte soll man auch wählen, wenn man einen Menschen trifft, der unserem Land nach dem 2. Weltkrieg durch den WM-Titel soviel neuen Mut gab?
Als ich heute die traurige Nachricht bekam, dass die deutsche Fußball-Legende Horst Eckel im Alter von 89 Jahre gestorben ist, da wurde ich traurig, ganz traurig. Einer der wirklich letzten Helden dieses Landes ist gegangen, der letzte Spieler der weltberühmten 54er-Elf – ohne dieses Team wäre Deutschland nach dem Krieg sicherlich viel länger im tiefen Tal geblieben.
Doch dann hellte sich mein Gemüt wieder etwas auf, denn ich erinnerte mich an einen Tag im August 2004. Ich durfte Horst Eckel im Lüneburger Rathaus empfangen und ein Interview führen. Ich weiß noch, wie ich vor dem Rathaus stand und auf den damals 72-Jährigen wartete. Mein ganzer Körper war von Gänsehaut übersät, ich war nervös, freute mich auch und war einfach gespannt, was für ein Mensch da auf mich zukommen würde. Und dann sah ich ihn aus Richtung Marienparkplatz kommen: schneller Schritt, Karohemd, beige Hose und topfit. Da stand er vor mir, der Held der Helden – und irgendwie kam es mir vor, als würde mein Opa vor mir stehen. Vielleicht lag es an diesem typischen Duft, den er aufgelegt hatte – Old Spice war es nicht, aber so ähnlich. Völlig locker gab er mir die Hand, stellte sich mir vor (als ob die Welt nicht wüsste, wer Horst Eckel ist!), ich sah sein jugendliches Lächeln und diesen Blick, der von Lebensfreude zeugte. Ich stand da, mir wackelten die Knie und ich war stolz, dass ich den Weltmeister in das Rathaus führen durfte.
Ich durfte viele Fragen stellen, bekam oft ein herzhaftes Lachen und eine Anekdote geschenkt. Ich hatte 60 Minuten Gänsehaut, las jedes seiner Worte von den Lippen ab und dachte, diesem Menschen könnte ich 50 Stunden ohne Pause zuhören. Wenn es um seinen 1. FC Kaiserslautern ging, dann sprudelte das Herzblut nur so heraus. Dazu trug er den Ehrenring des FCK: ein Goldring mit dem Logo des Vereins. Natürlich fragte er mich, welchem Verein ich die Daumen drücken würde. Klare Antwort: Borussia Mönchengladbach. Seine Antwort: „Toller Verein, aber der FCK liegt mir mehr am Herzen.“ Die ganze Zeit schaute ich auf seinen Ehrenring, fragte ihn ganz kleinlaut, ob ich diesen einmal in die Hand nehmen dürfte. Er tat es – was für eine Ehre! Wir schauten uns in die Augen, es half nichts, ich musste es sagen: „Toller Ring, aber ich kenne ein schöneres Logo!“ Er lachte laut los, steckte den Ring wieder auf – was für ein bescheidener, bodenständiger und freundlicher Mensch!
Am 23. August 2004 bekam ich Post von Horst Eckel. Die Adresse hatte er persönlich mit der Hand geschrieben, im Brief lag eine Autogrammkarte mit meinem Namen drauf – wieder so ein Gänsehautfeeling schlechthin. Seinen Brief und die Autogrammkarte haben einen Ehrenplatz – ein viel schöneres Andenken kann man wohl kaum haben!
Heute hat Deutschland einen seinen ruhmreichsten Spieler verloren – ich bin unendlich stolz, dass ich Horst Eckel treffen und interviewen durfte. Wie sagte er schon 2004: „Mir fehlen meine Mitspieler aus der 54er-Mannschaft.“ Heute ist er im Kreis dieser Helden eingetroffen – vergessen wird man diesen besonderen Menschen (hoffentlich) nie!